Hannover statt Bangkok
What a ride
Wir machten uns auf den Weg - unser lang ersehntes Stück Freiheit abzuholen. Ein Campervan, Platz für unsere Kernfamilie soll uns eine Herberge für die nächsten Monate liefern. Wir fahren in die Nähe von Hannover und sehen ihn zum ersten mal live - wir haben uns schon viele Gedanken davor gemacht- was muss er alles können, auf was können wir verzichten? Bei diesem Modell haben wir ein super Gefühl und auch beim ersten Anblick macht mein Herz ein Sprung! Lena und Dennis, die Vorbesitzer machen mit uns eine lange Ausfahrt und das Auto wird uns im Detail erklärt und gezeigt - ich bin ganz verliebt und würde am liebsten gleich weiterfahren. Es gilt aber noch einiges vertraglich zu regeln, x Unterschriften werden ausgetauscht und nach vielen Tipps und Geschichten fahren wir endlich aufgeregt und glücklich los.
Jodok fährt den Bus ganz smooth, es wirkt als ob er ihn schon lange kennt. Nach den ersten Selfies und euphorischen Nachrichten bemerke ich wie mein Sitz richtig heiß wird, vorallem die rechte Seite wird richtig warm. Es riecht leicht nach verbranntem Gummi, und kurze Zeit später meint Jodok dass wir doch stark rauchen. Schwarze Rauchwolken steigen hinter uns auf und einige Sekunden später verspüren wir einen starken Leistungsabfall. Der Motor fällt aus und wir rollen gerade noch so an die Seite, grad auf den Pannenstreifen. Wir sind beide ziemlich schockiert und stellen uns erst mal hinter die Leitplanke und rufen die Vorbesitzer an. Die können es garnicht glauben - nach 17 Jahren ohne ein mal ein Problem mit dem Motor zu haben fragen sie ganz ungläubig ob es unser Ernst sei. Wir verständigen den Öamtc per App - ob dies angekommen ist wissen wir nicht. Ungläubig verkriechen wir uns hinter ein Stromhäuschen, ich versuche ganz präsent zu sein und in die Beobachterrolle zu schlüpfen. Nach 40´kommen die Vorbesitzer und nach kurzem Check (Öl und Wasser) und anhaltender Ratlosigkeit entscheiden wir uns dass sie uns abschleppen - bis zur nächsten Ausfahrt. Es folgen aufregende 5km - in denen der Van öfter über das Abschleppseil fährt es einmal reisst - es ein schmaler Grad zwischen zu langsam oder zu schnell anfahren, rollen lassen, zu knapp aufeinander auffahren. Obwohl es Lena und Dennis sehr unangenehm ist die ganze Situation bleibe sie cool und helfen uns zumindest aus der Gefahrenzone.
Da ich auch schwanger bin bin ich froh nicht mehr neben den kolossalen Lkws warten zu müssen die in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit an uns vorbei preschten. Am Parkplatz folgt dann eine Odyssee an Telefonaten und Diskussionen mit dem Öamtc. Jodok wird so abgefragt dass sie die Fakten schließlich falsch darstellen und behaupten dass die Erstaussage nicht mehr zurück genommen werden könne. Sie sagen dass es nicht zu beweisen wäre dass nicht der Vorbesitzer gefahren wäre und sie deswegen keine Zuständigkeit hätten. Wir waren schon an der Rückfahrt Richtung Österreich, hatten gerade den Kaufvertrag unterschrieben und 40' entfernt von den Vorbesitzern - es ist mir unerklärlich wieso so eine Falschdarstellung von mehreren Mitarbeitern akzeptiert wird. Weiters wurde die korrekt eingerichtete Sepa noch nicht abgebucht. Warum, können sie uns nicht sagen... Dazu kommt dass die Vorbesitzer den Wagen nochmals angemeldet hatten, damit wir diesen nach Österreich überstellen können.. Das Callcenter ist wirklich gut geschult und tischt uns alles so auf dass wir den Eindruck haben "etwas falsch gemacht zu haben". Mit einbrechender Dunkelheit, zunehmender Erschöpfung, nach vielen Warteschlangen und sinnlosen Diskussionen entscheiden wir dass wir nun selbst aktiv werden und organisieren einen Abschleppdienst.
Wohin? Das wissen wir selbst nicht so genau und entscheiden uns für den nächst gelegenen Nissanhändler. Wir übernachten das erste mal in unserem Camper, am Parkplatz vor dem Händler und hoffen Samstag früh jemanden dort anzutreffen. Völlig erschöpft schlafen wir ein, frieren etwas aber spazieren voller Hoffnung morgens zu der Werkstätte. "Uns wäre es lieber dass Sie woanders hingehen, wir haben schon genug Problemfälle" war nicht gerade die Auskunft die wir uns erhofft hatten. Nach einem Gespräch freunden wir uns mit dem Vorschlag an das Auto "kaputt" nach Österreich zu überführen um in Ruhe zuhause agieren zu können. Wir kontaktieren den empfohlenen Abschleppdienst und bekommen die Auskunft dass eine Überstellung etwas dauern werde und bei 1500€ erst anfangen würde, wahrscheinlich eher mehr. Wieder folgt eine Planänderung - wir entscheiden uns das Auto vor Ort zu lassen, eine Werkstatt aus der Gegend zu finden und nach hause zu fahren. Was für eine Achterbahn der Gefühle. Wir kontaktieren Sixt um ein Mietauto zu erfragen und bekommen die Auskunft dass genügend vor Ort seien. Nach einer erschwerlichen Anreise, lange Strecken die mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht abgedeckt waren, in der Hitze zu Fuß, schwanger kommen wir endlich an und bekommen die Auskunft dass kein Auto frei sei. Zum erstem mal auf dieser Odyssee breche ich in Tränen aus - ein Film läuft vor meinem inneren Auge dass wir nie wieder nach Österreich kommen, ich vermisse meine Kinder und fühle mich fremdbestimmt und hilflos. Zum Glück bleibt Jodok cool und ruft den nächsten Mietautoverleih an. Wir laufen weitere 30'hin und bekommen endlich ein Auto und fahren schnurstracks nach hause. Auf der Fahrt reflektieren wir lange darüber was und dieses Abenteuer wohl lehren möchte - ich habe das Gefühl es ist ein Test an unser Urvertrauen in das Leben, an unsere Fähigkeiten, dass wir mit Schwierigkeiten umgehen können. Ich fühle mich sonderbar gestärkt und erschöpft zugleich, bin unheimlich stolz wie cool wir mit stressigen Situationen umgegangen sind und habe den Eindruck dass es uns noch weiter zusammen geschweißt hat. Vielleicht war dies ein kleiner Vorgeschmack wie es auf der Reise dann turbulent zugehen kann - und ich finde wir haben es bis jetzt gut gemeistert. Was noch kommen mag ist unklar - aber ich habe den Eindruck unser "Flexibilitätsmuskel" wurde schon mal gut trainiert.